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Rainer Popp
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Blitzkrieg gegen die deutsche Sprache
Kostenloses E-Book
Ein Leserservice des Dante-Verlags Hamburg www.dante-verlag.de
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Blitzkrieg gegen die eigene Sprache
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von Rainer Popp
Die Schreckensnachricht, die uns Bundesbürgern einen Schock versetzte, ist nicht allein die PISA-Studie, die unsere Bildungsanstrengungen in die Drittklassigkeit zurückstufte. Die Schande, die wir als sogenanntes Volk der Dichter und Denker ertragen müssen, ist nicht nur das Ergebnis des OECD-Reports, der unserem Land bescheinigte, daß wir die finanzielle Ausstattung unserer Schulen und Universitäten grob vernachlässigen und damit wiederum am Listenende aller europäischen Staaten rangieren. Die eigentliche Katastrophe, die über uns hereinbrach, die aber niemand bislang zur Kenntnis genommen hat, ist noch viel schlimmer und in seiner verheerenden Tragweite direkt auf die unwiderrufliche Zerstörung unserer gesamten Kultur gerichtet: Die deutsche Sprache vernichtet sich in einem Blitzkrieg selbst, und sie verkümmert mit rasender Geschwindigkeit zu einem widerlichen Kauderwelsch aus englischen Lehnwörtern und einer zunehmenden Anhäufung von grammatikalischen Fehlern. Das heißt: Wir, die Bürger dieses Landes, sprechen unserer Muttersprache nicht nur falsch, so als wären wir Ausländer, die sich noch üben im Deutschen, wir gieren obendrein förmlich danach, so als wären wir schwachsinnig, deutsche Wörter durch englische Begriffe zu ersetzen. Ein Beispiel von Tausenden, bei dem es mir kalt über den Rücken läuft, sobald ich diesen Satz höre, den ein Deutscher zu einem Landsmann sagt: „Ich bin unheimlich happy und inzwischen wieder cool und relaxed, daß durch den Crash des Wagens, der sich während der Rushhour in der City mit großer Power in die Seite meines Autos bohrte, meine Kids, die gerade mit ihren Gameboys spielten, nicht verletzt wurden.“ Auf einen Amerikaner übertragen, der sich mit seiner Frau unterhält, würde er sich analog dieser Ausdrucksweise bedienen: „I am very glücklich and in the meantime beruhigt and entspannt again that my Kinder, playing elektronische Spiele, were not wounded by the Zusammenstoß, which happend by an automobile sliding into the side of my car with great Kraft during the Hauptverkehrszeit in the Stadtzentrum.“ Wer so redet, der ist wohl von allen Geistern verlassen. Wer in diesem Gestammel freiwillig kommuniziert und wer nicht durch eine böse Besatzungsmacht dazu unter Androhung der Todesstrafe gezwungen wird, der muß seinen Verstand an den Nagel gehängt haben oder verrückt geworden sein. Offensichtlich haben wir unseren Grips abgegeben und sind nicht mehr bei Trost - die einfachen Mann und Frau Schulze ebenso wie die vermeintlichen Führungseliten unseres Volkes, die häufig als Merkmal ihrer angeblichen Bildung besonders viele englische Vokabeln benutzen. Politikern tun das, Manager, Reporter, Redakteure und Moderatoren sowie, völlig unbegreiflich, die vermeintlichen Werbefachleute, die ihre deutschen Kunden in Englisch anreden, das die meisten nicht verstehen. Viele von ihnen wären schon froh, wenn sie sich in ihrer Muttersprache zurechtfänden und in der Lage wären, nicht dauernd des S des Genitivs zu vergessen oder ständig öfters zu sagen oder der Moment, wo ich ihn getroffen habe. Welche Londoner Fluggesellschaft käme wohl auf die Idee, ihr Unternehmen „Englische Flügel“ zu nennen und die Unterzeile ihres Slogans so zu formulieren: Flieg hoch, bezahl wenig. „GermanWings“ lockt ihre deutschen Kunden jedoch so an: „Fly high, pay low“. Und eine US-Versicherung wäre wohl mit dem Klammerbeutel gepudert, würde sie in ihr Firmenlogo diese deutschen Begriffe aufnehmen: Die Zukunft. Zusammen. Jetzt. Der „Axa“-Konzern jedoch schert sich nicht darum und läßt ihren Versicherten zwischen Rosenheim und Husum folgendes mitteilen: the future. together. now. Eine Zigarettenmarke, die in Deutschland Tausende von Plakaten kleben ließ, preist die Verpackungsart ihrer Glimmstengel unter der Überschrift „Full Flavour and good Taste“ mit folgenden Worten an: Also available in a Round Corner Box. Weitere Vokabeln, die von den Medien in jedes Wohnzimmer transportiert werden: Know-how anstatt Wissen oder Kenntnis, Hightech statt Hochtechnologie, Outfit statt Aussehen oder Bekleidung, Look statt Anblick oder Ausstrahlung, Speed statt Geschwindigkeit, Event statt Ereignis oder Veranstaltung, Job statt Arbeitsstelle, Crew statt Mannschaft, Highlight statt Glanzpunkt. Ebenso töricht ist es, von einer Hotline zu sprechen, wenn eine Telefonnummer gemeint ist, oder eine Kosmetik-Firma eine „care company“ zu nennen. Studien haben längst ergeben, daß nur eine Minderheit der Deutschen in der Lage ist, die in die Sprache sintflutartig eingeschwemmten englischen Wörter zu begreifen. Viele Bürger, deren Blicke auf die Reklametafeln an Litfaßsäulen wandern und die den Werbebotschaften im Fernsehen und im Hörfunk zuhören, fühlen sich inzwischen wie Fremde im eigenen Land. Sie werden bombardiert mit „sound files“ und „News“, mit „Wellness-Weekends“, mit „all inclusive“ und mit „Happy Hours“ und „good Feeling“. Und sie lesen etwas, was sie nicht begreifen oder nur im Zusammenhang mit Bilderzeichen erahnen. Beispielsweise ein Update, ein Check-up, eine Indoor Party, ein Moontalk, eine Late-Night-Show, ein Facelifting, ein Peeling, eine Hand-Nail- and Bodylotion, ein Knock-out, ein Warming-up, ein Feedback, ein Meetingpoint, ein Anchorman oder eine Slow Motion. Aus dem Alter ist Age, aus einem Film ein Movie geworden, aus einer Erzählung eine Story, aus der Geschichte eine History, aus den offenen australischen Tennismeisterschaften die Australian Open. Vorreiter dieses unseligen englisch-deutschen Geplappers sind vor allem die halbgebildeten Mitarbeiter der Werbeagenturen, die Redaktionen von Modezeitschriften sowie die verantwortlichen Programmgestalter in den elektronischen Medien, die große Mühe haben, ihre eigene Sprache halbwegs korrekt über den Schirm und den Lautsprecher zu bringen. Wer ihnen zuhört, den packt das Grauen. Wer sich das anhören muß, der trägt sich mit dem Gedanken, dieses Land zu verlassen, in dem die eigene Sprache gedankenlos zerstört wird. Parallel zu diesem Phänomen, wie fuchsteufelswild nach englischen Vokabeln zu grabschen und sich geradezu darin zu suhlen, als wäre die deutsche Sprache eine Art Pest, die zum Siechtum führt, beobachten Sprachwissenschaftler einen rasanten Verfall grammatikalischer Grundkenntnisse und eine Verödung derjenigen Reste, die von der deutschen Sprache noch übriggeblieben sind. Jeder, der sich irgendwo vor einer Kamera oder einem Mikrophon zu Wort meldet, bekäme in der Schule, beherrschte denn wenigstens sein Deutsch-Lehrer sein Fach, ein Ungenügend, schriebe er so, wie er öffentlich seiner Muttersprache zu Tode quält. Wie heißt es doch? Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken. Und so ist es kein Wunder, daß Millionen von Deutschen gemeinsam mit ihren ausländischen Mitbürgern Nachhilfeunterricht erteilt bekommen müßten, damit ihnen nicht mehr so viele Fehler unterlaufen, wenn sie ihre Sprache zu sprechen versuchen. Der Rat eines Einheimischen an einen Ausländer, er solle erst einmal richtig Deutsch lernen, der gilt vor allem und in erster Linie für ihn selbst. Das betrifft auch den Bundeskanzler, der nicht weiß, das ein Zeitbegriff nicht mit einem Adverbum loci verbunden wird, daß dringen und drängen ein Unterschied ist. Das gilt für alle, wie sie landauf, landab zu parlieren sich anschicken und das, was aus ihrem Mund als unappetitlicher Sprachgulasch quillt, Deutsch nennen. Nachhilfe in der Beherrschung der Muttersprache braucht jeder Minister im Bundeskabinett, braucht jeder Manager, brauchen Hunderttausende von Deutsch-Lehrern, brauchen Chefärzte, Parlamentarier und Gewerkschaftsfunktionäre, brauchen Firmeninhaber und Berufsoffiziere, braucht der ZDF-Ausfrager Johannes B. Kerner, braucht Äh-Redner Alfred Biolek, braucht die Tagesthemen-Moderatorin Anne Will, braucht ebenfalls der Spaß-Zyniker Harald Schmidt und der ARD-Abendunterhalter Reinold Beckmann. Sie alle, die eigentlich Vorbilder sein sollten in der korrekten Benutzung ihrer eigenen Muttersprache, wissen nichts vom richtigen Gebrauch der Fälle, haben wenig Ahnung vom Konjunktiv und patzen immer wieder bei der richtigen Verwendung der Relativpronomen, die inzwischen zu einem schlichten wo verkümmert sind. (Siehe auch die Rubrik Dante / Service: Perfektes Deutsch.). Wie sollen Schulkinder den fehlerfreien Umgang mit ihrer Sprache lernen, wenn sie von morgens bis abends aus den Mündern der sogenannten Meinungsmachern und Führungseliten (und besonders häufig bei Journalisten) einen Fehler nach dem anderen um die Ohren gehauen bekommen? Wie soll eine Generation von 20jährigen befähigt werden, Sachverhalte zu erfassen und schriftlich wiederzugeben, wenn sie ihre eigene Sprache nur gebrochen spricht und das, was von ihr noch da ist, mit Anglizismen vollstopft? Und wie sollen wir damit umgehen, wenn ein Abiturient, der nach dem Reformator Martin Luther gefragt wird, diesen Satz von sich gibt: „Das ist doch der Typ, wo vor `ner Kirche Action gemacht hat.“ Die Einführung der neuen Rechtschreibung hat obendrein dazu geführt, daß jetzt niemand mehr genau weiß und sich eigentlich auch einen Dreck darum kümmert, wie die deutsche Sprache verbindlich geschrieben wird. Das Ergebnis dieser fast verbrecherischen Verordnung: Jeder schreibt, wie er will und es ihm gerade in den Kopf kommt. Jeder ist seine eigene Instanz. Zusammengefaßt bedeutet das: Die grammatikalischen Regeln lösen sich auf, die Schreibweise ist anarchistisch, die Zeichensetzung jedem selbst überlassen, und der verbliebene Wortschatz der eigenen Sprache wird durch englische Vokabeln verdrängt. Jeden Tag gehen so Wörter verloren, die nicht mehr zurückkehren. Wir, die Deutschen, die einst in der Welt als Kulturvolk gepriesen wurden, zertrümmern von Woche zu Woche die eigene Sprache. Wir verhunzen sie und wir jagen sie fort, als wäre sie ein Dieb, der uns ausplündert. Und an der Spitze dieser Vernichtungsaktion steht die sogenannte Elite unseres Volkes - die Macher in den Medien, die Politiker, die Lehrer, die Professoren und die Wortführer in Bildung und Kultur. Das hat es in der Menschheitsgeschichte noch nie gegeben, daß sich ein Volk freiwillig die eigene Sprache wegnimmt. Wir aber tun es ohne Unterlaß. Wir aber, als wären wir lauter Dummköpfe, gehen in jeder Minute auf die Suche nach Wörtern aus einer fremden Sprache und werfen dafür ein Wort aus unserem Sprachschatz weg - für immer. Wir Deutschen, im Holocaust erfahren, haben nach den Juden, die wir während der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten europaweit verfolgten und millionenfach vernichteten, jetzt ein anderes Opfer gefunden, dem wir in der raffgierigen Spaßgesellschaft, deren Bildungsfundament zusammengebrochen ist, das Leben nehmen wollen: der eigenen Sprache.Ein Trost bleibt allerdings: Wenn die bis zur Unkenntlichkeit verstümmelten Reste der deutschen Sprache im nächsten Jahrzehnt vollkommen verschwunden sind und ein deutscher Bestseller-Autor sich bei seinen Lesern mit dieser Formulierung vorstellt „Ich, bester Writer von Story, seien easy drauf“, wird der Monat nicht fern sein, an dem das Parlament der Vereinigten Staaten von Europa den Beschluß fast, Oxford-Englisch als Amtssprache in allen 34 Mitgliedsländern einzuführen. Dann werden wir, die Einwohner in der Provinz Germany, endlich wieder in der Lage sein, uns in einer grammatikalisch verbindlichen und in der Schreibweise einheitlich definierten, wortreichen Hochsprache zu verständigen, die nicht mehr so klingt wie das im Bundestag und auf der Straße gesprochene Pidgin-Deutsch, als würden chinesische Tagelöhner in Kalkutta einen unter britischer Flagge fahrenden Bananendampfer aus Honduras entladen.
Rainer Popp ist der Autor des im Hamburger Dante-Verlag erschienenen Schlüsselromans " Karriere eines Komplotts".
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