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Leseprobe - Der Bestseller Teil 2

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ERSTER TEIL: DER PLAN
Verflucht, dachte er. Man merkt
mir bestimmt schon an,
in welchem Zustand ich bin.
Das ganze Hemd ist naß,
und es läuft wie Wasser
in Strömen herab von mir.
1. Kapitel
Ein heißer, wirbelnder Schwall von Blut rauschte in seinen Ohren, und sein Herz klopfte so stark, daß er das Gefühl hatte, es würde ihm gleich mehrfach in Einzelteilen aus dem Mund springen. In seinem Bauch rumpelten glühende Steine, sein Magen verkrampfte sich und zog sich zusammen zu einem faustgroßen Klumpen aus Gedärm und Säure, seine Schläfen zuckten. Oh mein Gott, dachte er. Du mußt mir jetzt beistehen. Verlaß mich nicht. Ich brauche dich jetzt wie nie zuvor in meinem Leben. Lieber Himmel, hilf mir, sonst bin ich verloren. Bitte, bitte, sag’ mir, was ich tun soll.
Für einige Bruchteile von wenig Zeit erfaßte ihn die Idee einer Selbsttötung. Die Überlegung, wie er es zu tun gedenke, sich vor einen Zug stürzen oder Schlaftabletten schlucken, blieb allerdings nicht in ihm haften. Statt dessen spürte der 51jährige eine taube, klebrige Trockenheit sich ausbreiten wie ein Schwelbrand in seinem Mund.
Jeder Schritt, den er über den lehmigen Acker setzte, wurde begleitet von einem Taumel und vernebelten Schlieren vor seinen Augen, die wie Blitze aufzuckten und wieder im Halbdunkel der Netzhaut verlöschten. Unter seinen Schuhen ballte sich die feuchte Erde der Meninger Heide zu beindicken Tellern. Ihm kam es vor, als wäre er ein vergreistes Pferd mit bleischweren Hufen. Sein Gang, der ihn krümmte um fünfzig Zentimeter seines Körperwuchses, wurde immer schleppender auf den letzten dreißig Metern bis zu seinem Auto, das er vor dem Haus von Carmen van Sandt abgestellt hatte.
Was mach’ ich jetzt bloß? überlegte er. Wie komm’ ich raus aus diesem furchtbaren Strudel? Alexander Wulff („mit zwei f") war jedoch nicht fähig in diesen Momenten, auch nur in groben Ansätzen eine Strategie zu entwickeln und nüchtern die Optionen abzuwägen, die sich ihm boten, um einen Ausweg aus der vorgezeichneten Katastrophe zu finden.
Die Nachricht, die alles veränderte, die alles auf den Kopf stellte, die - völlig unvorhergesehen und unerwartet - in einem Atemzug aus einem sorgfältig geplanten, überzeugenden Coup des Triumphes eine vernichtende Niederlage machte, die seine Existenz massiv bedrohte und über ihm ein unvorstellbares, schier auswegloses Problem heraufbeschwor, hatte der hagere, 1,83 Meter große Mann eine knappe Minute zuvor erhalten - von einem Trecker runter und so lapidar berichtet von dem pflügenden Bauern, als hätte er ihn nach dem Weg gefragt und eine eindeutige Antwort erhalten.
Der einzige Gedanke, der Wulff seither in den Griff nahm, war angsterfüllt und von den Sätzen beherrscht, die ihm unablässig durch den Kopf kreiselten: Ich bin ruiniert. Ich bin zum Gespött geworden. Mit mir will niemand mehr etwas zu tun haben. Ich habe, wenn keine Rettung kommt in letzter Minute, den größten Literatur-Skandal in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands ausgelöst und dabei einen Verlag, den ich sanieren und zu großer Blüte führen wollte mit all meiner Kraft und meinen Fähigkeiten, in einen millionenfachen Bankrott geführt.
Daß nicht nur er selbst, sondern auch eine Vielzahl anderer Menschen betroffen waren von der Neuigkeit und hineingerissen in die Mitleidenschaft, die schlimmer schien als ein Krieg, ein Erdbeben und ein Ungewitter zusammen, darüber floß ihm zunächst nichts in den Sinn. Seine Kraft reichte gerade noch aus, die Tür seines Volvos aufzuschließen und sich in den Sitz fallen zu lassen. Auf die Dreckbatzen, die in der Menge einer vollen Kohlenschaufel von seinen Schuhsohlen in das Innere des Wagens fielen, achtete er nicht. Er hatte Schweiß auf der Stirn. Sein linker Nasenflügel zuckte vor Nervosität und Anspannung. Sein Atem rasselte. Seine Brust war, so fühlte er es in seinem Schmerz, mit Stacheldraht umwickelt.
Zuerst rieb er mehrmals über sein Gesicht mit seinen Händen, dann faltete er sie und flüsterte: „Hilf mir, bitte. Ich weiß nicht weiter.“ Er spürte, als seine Schultern zu zittern anfingen, wie er fröstelte. Nach der Kälte, die ihn ansprang, wurde ihm plötzlich warm. Er stellte das Radio an, machte es aber sofort wieder aus, als er in zu hoher Lautstärke die ersten Schlagzeug-Rhythmen einer Rock-Ballade gehört hatte. Ich muß in Ruhe nachdenken, sagte er sich. Jetzt ja keine Panik, bloß keine unüberlegten Handlungen, erst recht keine Hysterie.
So wie er es gelernt hatte als Unternehmensberater, der er einst gewesen war, begann er, nachdem er sich beruhigt hatte, mit einer Analyse der veränderten Situation, in der er sich befand. Was ihn umgab, erfaßte er sofort: Er saß in seinem Auto, in dem die Scheiben beschlagen waren mit einer dicken Schicht seiner kondensierten Atemluft, und wartete vor dem Haus einer Schriftstellerin, auf deren Suche er sich heute morgen begeben hatte. Die noch nicht einmal vier Minuten alte Nachricht von ihrem Unfalltod, der bereits fünf Tage zurücklag, hätte ihn normalerweise nicht so stark aus der Fassung bringen dürfen. Autorinnen verscheiden nun mal hin und wieder, oder sie werden getötet als Randerscheinung einer Pkw-Karambolage.
Bei Carmen van Sandt, die bei einem Frontal-Zusammenstoß von zwei Autos durch die Wucht des Aufpralls von einem in den Graben geschleuderten Wagen erfaßt und zerquetscht wurde, als sie mit dem Fahrrad zur Post radelte, um ihre Manuskriptseiten nach Hamburg zu schicken, war es jedoch etwas völlig anderes. Die Autorin, die dem MoRus-Verlag, dessen Geschäftsführer Alexander Wulff war, bereits ein 428 Seiten umfassendes Werk unter einem anderen Namen hergegeben hatte, war der Schlüssel eines zweiten Komplotts, das professionell eingefädelt wurde, das bereits in aller Öffentlichkeit auf Hochtouren lief und das eine Investitions-Summe von mehreren Millionen an Vorkosten verschlungen hatte.
Auf ihren neuesten Roman, von dem sie in der Nacht vor ihrem Tode weitere Seiten in einen Briefumschlag getan und den sie am frühen Morgen frankiert hatte, stützte Alexander Wulff sein zweites Gaunerstück, das noch größer und noch gigantischer werden sollte als das erste, das aus einem abgebrochenen Jura-Studenten und einem Haustürbefrager für ein demoskopisches Institut einen umjubelten, von den Medien gefeierten Bestseller-Autoren gemacht hatte. Sein Name, der in der Branche für horrende Umsätze und höchstes Lob stand: Thomas Kaar.
Auf Geheiß von Wulff war der erste Roman von Carmen van Sandt als sein Buch veröffentlicht worden, und Kaar, der vorab in einem Wettbewerb als Sieger gecastet und anschließend von Experten für seine Rolle gecoacht worden war und der sich brillant aufführte vor den Kameras der TV-Studios und sich überzeugend präsentierte bei seinen Lesungen, hatte damit einzigartige Verkaufserfolge erzielt sowie bei seinen Kritikern ungeteilte literarische Anerkennung erworben.
Der zweite Roman, den Carmen van Sandt begonnen hatte und den Thomas Kaar wiederum unter seinem Namen vorstellen sollte, war ein paar Wochen zuvor auf einer internationalen Pressekonferenz mit einem konkreten Erscheinungsdatum angekündigt worden: der 23. Oktober. Bis dahin hatte er noch knapp zwei Monate Zeit, das fünfhundert Seiten zählende Buch schreiben zu lassen, es zu drucken und es in den Handel zu bringen.
Doch wie soll ich das schaffen? fragte sich Wulff, der sich allmählich beruhigte. Er spielte mit den Spitzen seines dünnen Schnurrbartes, wischte sich mit einem Taschentuch die Stirn und dann einen Sichtstreifen frei auf der Scheibe der Fahrerseite. Seine Niedergeschlagenheit verflüchtigte sich, seine Betroffenheit nahm ab, sein Verstand begann wieder zu funktionieren: Außer den ersten Kapiteln, die von der Autorin an Thomas Kaar geschickt worden waren und der, wie abgesprochen, die bei ihm eingetroffenen Seiten als das Ergebnis seiner Arbeit an mich weitergeleitet hatte, war nichts vorhanden. Niemand außer der Toten kannte die Geschichte, die Carmen van Sandt schreiben wollte. Niemand hatte auch nur eine Ahnung von ihrem Konzept, niemand wußte, was sie vorhatte. Wer sollte das Buch zu Ende führen? Wer sollte wohl den Stoff für die fehlenden vierhundert Seiten liefern? Wulff atmete mehrmals tief durch.
Über die Konsequenzen war er sich vollkommen im Klaren. Ein Nichterscheinen des Kaar-Romans, auf den seine Leserinnen vor allem und auch seine Leser sehnsüchtig warteten, würde MoRus finanziell bis auf die Grundmauern vernichten und seinen Ruf als ehrwürdigen Literatur-Verlag unwiderruflich zerstören. Und er selbst, der Geschäftsführer, würde als Fälscher am Pranger stehen. Was würde meine Frau Barbara sagen? ging es ihm durch den Kopf. Sie verläßt mich auf der Stelle und kommt nie mehr zurück. Und Ebermann erst? Der überlebt das nicht und stirbt den Herztod vor Scham, wenn das rauskommt, daß der geniale Erfolgsautor, der mit seinem Erstlingswerk bereits auf die Stufe von Ernest Hemingway und Grass gestellt worden war und dem Kenner die Chancen auf einen der nächsten Literatur-Nobelpreise prophezeiten, nicht eine einzige Zeile selbst zu Papier gebracht hatte.
Wulff spürte ein leichtes Zittern in seinen Händen, die er wie zu einem Gebet gefaltet in seinem Schoß hielt. Und wie würde Elsa reagieren, die Geliebte von Thomas Kaar und Cheflektorin bei MoRus, wenn es nicht mehr zu verheimlichen wäre, daß der angebliche Star-Autor, als Kernfigur eines abgekarteten Betruges, nur seinen Namen hergegeben hatte und dann, begleitet von einem großen publizistischen Echo, mit dem gedruckten Werk von Carmen van Sandt losgezogen war, um sich und den Roman nach allen Regeln modernster Marketing-Kunst unter das Volk zu bringen? Alexander Wulff fühlte ein unangenehmes Kribbeln, das ihm über die Schultern lief. Sein Bauch tat ihm weh.
Nach dem ersten Schrecken, der ihn getroffen hatte wie ein Hieb mit einer Axt, als er erfuhr, daß seine Autorin verunglückt war, erschauderte er in diesem Augenblick vor sich selbst. Für einen Moment erinnerte er sich daran, was er gedacht hatte, während die Todesnachricht über Carmen van Sandt sein Bewußtsein erreicht hatte: Den, den Kaar, den darf jetzt niemand mehr irgendwo auf der Welt zu Gesicht bekommen. Und Wulff fiel wieder ein, was er noch vor wenigen Minuten zu Kaar am Telefon gesagt hatte, der sich in einem TV-Produktionsstudio gerade die Werbespots für sich und seinen neuen Roman anschaute. „Ich mache Sie so berühmt, wie der Papst und Jesus zusammen es nicht sind.“
Während er das Schiebedach seines Wagens öffnete und mehrmals tief durchatmete, fragte er sich lautlos: Oh, verdammt, wie soll ich ihn loswerden, den Kaar? Ich kann ihn doch nicht um die Ecke bringen oder ihn einweisen lassen in eine psychiatrische Anstalt. Wulff wurde abwechselnd heiß und kalt, und er fürchtete sich davor, weiter zu denken in diese finstere Richtung. Doch bei allem Entsetzen über seine ungeheuerlichen Gedanken, die er als abwegig empfand und als kriminell, konnte er es nicht verhindern, daß ihn noch diese Feststellung beschäftigte: Ich muß ihn loswerden, so oder so, oder aus ihm eine tragische Figur machen, die Mitleid erregt und die Lüge tarnt als unfaßbaren Schlag des Schicksals. Eine andere Lösung sah er nicht, als er seine verkrampften Hände voneinander löste und zum zweiten Mal in das beschlagene Seitenfenster einen Schlitz zur Durchsicht wischte.
Als sein Handy klingelte, schreckte er hoch. Er dachte einen Augenblick darüber nach, ob er das Gespräch annehmen wollte, entschied sich dann aber dafür und meldete sich beim sechsten Läuten.
„Wulff spricht“, blaffte er.
„Hier ist Thomas Kaar. Ich konnte gar nicht anders, als mich noch mal zu melden bei Ihnen... so begeistert bin ich. Es ist phantastisch.... die Spots sind meisterhaft gelungen. Ich bin ganz außer mir. Ich wollt’ Ihnen das nur noch mal bestätigen. Vorhin sind wir ja unterbrochen worden... Die Leitung war schlecht und gab dann keinen Pieps mehr von sich.“ Kaar machte eine Pause, um Wulff die Gelegenheit zu geben, etwas zu sagen. Der aber schwieg.
„Wenn diese Spots über alle Fernsehschirme laufen, dann... dann werden uns meine Bücher aus den Händen gerissen“, begeisterte sich Kaar. „Ich bin überaus zufrieden und sehr glücklich. Jetzt weiß ich, daß wir es schaffen und einen noch größeren Erfolg haben werden als beim ersten Buch... Einen unvorstellbaren Riesenerfolg...... Sie sagen ja gar nichts.... Hallo, Herr Wulff, sind Sie noch da?“
„Wie? Ach so... selbstverständlich“, antwortete Wulff. „Ich höre Ihnen zu und freue mich darüber, wie begeistert Sie sind. Ich freue mich wirklich sehr darüber.“
Kaar hatte zunächst die Absicht, seinem Verleger noch mehr von seinem Enthusiasmus mitzuteilen, als ihn ein anderer Gedanke bremste, der ihn belastete, seit er heute morgen aufgestanden war.
„Haben Sie Glück gehabt bei Ihrer Suche nach ihr? Wissen Sie jetzt, warum der Nachschub an Manuskript-Seiten gestoppt hat?“
„Kann ich noch nicht sagen“, antwortete Wulff und bemühte sich, seiner Stimme einen souveränen, beruhigenden Tonfall zu geben. „Ich bin zur Zeit noch unterwegs in einer anderen Angelegenheit. Werde mich aber dann sofort darum kümmern und Sie informieren.“
„Vielleicht ist sie ein paar Tage verreist? Oder könnte sie krank sein?“ hakte Kaar nach.
„Möglich... mag sein. Aber lassen Sie uns nicht spekulieren. Wir werden es ja bald wissen. Machen Sie sich bloß keine Sorgen und denken Sie immer daran: Wir gehen prächtigen Zeiten entgegen... Sie und ich und MoRus.“
„Rufen Sie mich auch bestimmt an?“
„Das tu’ ich, sobald ich etwas Konkretes weiß“, erwiderte Wulff in einer Art, die mit diesem Satz das Gespräch beenden wollte. Kaar sagte „Bis dann“ und legte auf, während Wulff sein Handy auf den Beifahrersitz warf und aus seinem Wagen stieg.
Die Luft erfrischte ihn und tat ihm gut. Mit drei Sprüngen, die er über zwei Pfützen setzte, war er an der Tür des Hauses von Carmen van Sandt. Er drückte die Türklinge runter, als erwartete er, daß sie gleich aufgehen würde. Er klopfte gegen die weiß gestrichenen Holzbohlen und rief: „Hallo, ist da jemand? Sind Sie da, Frau van Sandt?“ Warum mache ich das eigentlich? überlegte er. Ist doch sinnlos, wenn sie tot ist und unter der Erde liegt.
Der Blick seiner stechenden, schwarzen Augen, mit denen er durch das Fenster sah, streifte über den Tisch, die Stühle und die Schubladen des Sekretärs, an dem sie gesessen und ihre Texte geschrieben hatte. Es sieht alles so aus, als wäre sie noch da, nur kurz ins Badezimmer gegangen und würde gleich zurückkommen, sagte sich Wulf, der sich noch den Hauch einer Hoffnung bewahrte, daß sich die Nachricht, die er von dem Bauern erhalten hatte, auf eine andere Person bezog und Carmen van Sandt noch am Leben sein würde.
Nachdem er einen Rundgang um das Haus abgeschritten und in die Fenster auf der Rückseite gesehen hatte, entschied sich Wulff, zum Friedhof zu fahren und das Grab von Carmen van Sandt aufzusuchen und zu begutachten. Dann habe ich den letzten Beweis, bekräftigte er sich in seiner Überlegung. Er wollte gerade wieder zu seinem Auto zurückkehren, als ihm der Briefkasten auffiel, der neben der Tür an der Wand hing.
Ohne einen Moment zu zögern, griff er von oben durch den Einwurf hinein und fühlte sogleich einen Umschlag, den er mit den Fingerspitzen festhielt und behutsam herauszog. Wulff sah zuerst auf den Absender, und er las dort: C. Jordan, Sanatorium Dr. Kuror, Kurpark 16, Bad Herrenalb. Die Adresse lautete: Sandra Jordan, Dorfstraße 16, Meningen.
Wie von selbst, erst recht ohne das geringste Schuldbewußtsein und schon gar nicht mit dem vorausgegangenen Entschluß zu einer Willensbekundung, die sein Gehirn anschließend in eine Handlungsweise umgesetzt hatte, riß er den Brief auf und begann zu lesen, was dort in akkurater, säuberlicher, mittelgroßer, nach rechts geneigten Handschrift geschrieben stand.
Meine liebste Mammatschie,
nur schnell ein paar Zeilen, damit Du, wie Du es gewohnt bist, auch in dieser Woche einen Gruß von mir erhältst und dazu ein Lebenszeichen. Mir geht es immer besser, und ich mache große Fortschritte. Spätestens Ende des Monats, so sagte mir der gute Dr. Enslin, werde ich wohl entlassen. Endlich! Ich kann den Tag gar nicht abwarten. Jede Nacht träume ich davon und jeden Morgen, wenn ich erwache.
Wie schön, daß Deine Artikel so sehr beim Verlag gefragt sind. Schick mir doch bitte mal ein paar davon zu. Ich habe sehr viel Zeit hier und „giere“ danach, die neuen Gedanken meiner Mutter gedruckt zu lesen. Überarbeite Dich nicht. Und paß vor allem auf Dich auf. Wir werden ein wunderbares Leben haben, wenn wir wieder vereint sind.
Ich umarme Dich fest und innig
in aller, aller Liebe.
Deine Tochter Carla
Das Datum, an dem der Brief geschrieben worden war, rechnete Wulff nach, lag drei Tage zurück. Er langte nochmals in den Kasten, aber seine Finger bekamen keine Post mehr zu fassen. Was er beim dritten Versuch herauszog, bei dem er sich den Knöchel des rechten Daumens an der Kante des Deckels aufritzte, war ein Prospekt von einer Supermarkt-Kette und das Kirchenblatt der Evangelischen Ortsgemeinde.
Als er zum Wagen zurückging - den Brief in der linken Hand - lutschte er das Blut vom Daumen der rechten ab und dachte darüber nach, warum Carmen van Sandt sich Sandra Jordan nannte. Vielleicht ein Pseudonym? Oder ist sie umgezogen in der vergangenen Woche, und in ihrem alten Haus, in dem ich sie mehrfach besucht hatte, wohnt jetzt eine andere Person mit diesem Namen. Abermals ließ er mit großer Freude den Schwall einer neuen Hoffnung in sich eindringen und zugleich, aufgefüllt mit Beschwichtigungen, den Gedanken auf sich zukommen, daß seine Autorin doch noch am Leben war und an ihrer Stelle eine andere Frau den Unfall erlitten hatte.
Genau an diesem Punkt, den er umkreiste wie der Wolf die angebundene Ziege, schieden sich seine angegriffenen Geister in ihm: einerseits wollte er Gewißheit haben, ob Carmen van Sandt wirklich tot war, wie er vom Hörensagen erfahren hatte, andererseits bekam er Angst davor, dieser Frage bis zur endgültigen und damit unwiderruflichen Klärung nachzugehen. Der Zustand des Ungewissen ließ ihm für einige Augenblicke die Zuversicht, daß sein Vorhaben noch nicht gescheitert war, den größten Bestseller aller Zeiten zu erschaffen. Wäre doch möglich, so spekulierte er halbherzig und überzeugungslos, daß seine Textschreiberin zur Zeit mit dem Rad unterwegs war zum Kräuterpflücken, oder sich im nächsten Dorf beim Frisör aufhielt für einen Nachschnitt ihrer roten Haare.
Seine beabsichtigte Fahrt zu Carmen van Sandts Grab setzte voraus, daß Alexander Wulff den Standort kannte. Das Kaff Meningen hatte keinen eigenen Friedhof. Das wußte er. Er fuhr den Weg zu ihrem Haus im Rückwärtsgang zurück, dann an der Kreuzung die Bundesstraße rechts ab und suchte mit ständig wechselnden Blicken zu beiden Seiten nach einem Passanten, den er nach dem Weg fragen konnte. Vor einem Restaurant sah er eine alte, aufgedunsene Frau, die auf einer Trittleiter stand und Fenster putzte.
„Verzeihung“, rief er ihr aus dem Auto zu. „Zum Friedhof, wie komme ich da hin? Können Sie mir das sagen?“
„Wie? Wohin wollen Sie?“
„Zum Friedhof. Haben Sie mich verstanden? Ich will zum Friedhof.“
„Ach so, dahin... ja... Sie müssen hier gleich ab... da, sehen Sie... und dann bis zum nächsten Ort. An einer Baumallee, die ist hinter einer Kurve, da liegt er. Sie können es gar nicht verfehlen. Ist ganz kinderleicht.“
„Wie lange dauert das?“
„Nicht mal fünf Minuten“, antwortete sie.
In der siebten Reihe des rechteckigen Gräberfeldes, dicht an der Mauer, entdeckte Wulff ein frisch zugeschaufeltes Grab. Auf der braungelben, zu einem Hügel aufgeworfenen Erde lagen zwei Blumensträuße: einer aus Nelken, der andere bestand aus gebundenen Astern. Kränze waren dort nicht abgelegt worden; Gebinde gab es auch nicht.
Wie furchtbar, dachte Wulff. Entsetzlich. Das sieht aus, als wäre dort ein Hund begraben. Dort unten, zugeschüttet unter diesem Haufen Matsch kann sie nicht liegen, nicht diese Frau, die so phantastisch, so großartig, so intelligent und so unverwechselbar einmalig schreiben kann. Er wandte sich ab und erschauderte. Und abermals wurde er von Empfindungen gepackt, die seine schlimmen Ahnungen aufwühlten. Unwillkürlich faltete er seine Hände und rang sich im Stillen ein „Oh, mein Gott“ ab.
Die wiedergewonnene Stärke, die sich eingestellt hatte, als er seine Zweifel an ihrem Tod für kurze Zeit verdrängen konnte, zerkrachte in diesem Moment zu einem Schuttberg. Wulffs Befürchtungen, die ihm die empfindlichen Nerven seines Bauches zutrugen, waren mehr Gewißheit, als jede Feststellung eines Beweises es vermochte. Er wollte es zwar noch immer nicht wahrhaben und offiziell für seinen Verstand nicht anerkennen, aber er wußte es, gerade im Anblick dieser Grabstelle, die ihn an einen hastig planierten Bombentrichter erinnerte, daß Carmen van Sandt nicht mehr am Leben war. Mit einer flüchtigen Handbewegung wischte er sich über die Lippen, als wollte er seine Ängste zum Schweigen bringen und die Schreie eindämmen, die im Inneren seines Oberkörpers in schrillen Echos explodierten. Oh, mein Gott, ging es ihm zum dritten Mal durch den Kopf, den er gesenkt hatte, bis sein Kinn das Brustbein berührte.
Wie angetrunken von sieben Gläsern Bier, gefüllt mit Furcht bis in die Fußspitzen und eingenäßt vom einsetzenden Regen aus den grauschwarzen Wolken über ihm verharrte er in dieser Haltung. Zunächst bemerkte Wulff die schweren Tropfen nicht, die über ihn hereinprasselten in dicht geflochtenen, senkrecht abstürzenden Schnüren. Er stand nur da - bewegungslos und gelähmt. Dann riß er sich los aus der Steife seiner Glieder und rannte zu seinem Auto, so schnell er konnte auf dem Kiesweg.
An einem Imbißstand, der neben einer Tankstelle Würstchen und Kaffee anbot, erkundigte er sich nach dem Beerdigungsinstitut, das für die umliegenden Ortschaften zuständig war.
„Das ist der Scherer in Egestorf. Das ist der einzige im ganzen Umkreis. Der macht das hier, wenn jemand gestorben ist“, antwortete der junge Mann.
„Wie komm’ ich da hin?“
„Über Undelo und dann immer geradeaus.“
Für die Strecke von knapp zehn Kilometern brauchte Wulff weniger als eine viertel Stunde Fahrtzeit. Vor dem Gebäude des Bestatters, einem aus Backsteinen errichteten Viereckbau mit milchiger Schaufensterscheibe, stellte er sein Auto auf einem für Kunden reservierten Parkplatz ab.
Als er die Ladentür öffnete, ertönte kein Klingelzeichen. Was Wulff zuerst auffiel, war der Geruch, den er in dieser Zusammensetzung noch nie eingeatmet hatte: Blumendüfte vermischt mit den Dämpfen von Beizlack und dem Ruß blakender Kerzen. Ein mit einem schwarzen Zweireiher bekleideter Mann, schlank von Gestalt und groß im Wuchs, kam mit leblosem Gesichtsausdruck auf ihn zu, nachdem er sich von seinem Stuhl hinter einem Schreibtisch erhoben hatte.
„Guten Tag“, sagte er mit belegter Stimme. „Was darf ich tun für Sie, mein Herr?“
„Ich hätte gern eine Auskunft von Ihnen. Heute morgen ist eine Frau beerdigt worden aus Meningen, sagte man mir. Ich wüßte gern, ob es eine mit Namen Sandra Jordan gewesen ist.“
„So ist es“, antwortete der Bestatter.
„Können Sie mir sagen... bitte, wie die Frau.... wie die Tote ausgesehen hat?“
„Warum wollen Sie das wissen?“
„Ich bin ein Bekannter von ihr und habe erst heute morgen erfahren, daß sie bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. Fünf Tage soll es her sein.“
„So ist es.“
„Und wie hat sie ausgesehen? Hatte sie feuerrote Haare?“
„So ist es.“
„Und hatte sie dunkle Augen?“
„So ist es.“
„Und war sie mittelgroß“
„So ist es.“
„Und war ihr Alter Mitte vierzig?“
„So ist es“, antwortete der Bestatter.
„Ich danke Ihnen“, erwiderte Wulff. „Ich danke Ihnen sehr für Ihre Auskünfte. Ach so... noch was. Welche Polizeistation hat den Unfall aufgenommen? Können Sie mir das sagen, bitte?“
„Schräg gegenüber... neben der Apotheke, da sitzen die Beamten. Da haben die ihr Büro. Die können Ihnen bestimmt helfen".
„Vielen Dank nochmals“, sagte Wulff.
„Darf ich sie auf etwas aufmerksammachen, mein Herr? Sie haben Blut da... ... da an der Lippe... links“, sagte er.
Alexander Wulff nahm den Rücken seiner Finger und wischte sich über den schmalen Mund, fragte „Ist es jetzt weg?“, erhielt als Antwort ein Kopfnicken des Bestatters, verbeugte sich in der Geste einer knappen Andeutung, verließ den Laden und betrat nach wenigen Metern die Polizeiwache.
„Ich komme wegen des tödlichen Unfalls vor fünf Tagen, bei dem eine Radfahrerin ums Leben gekommen ist. Ich hätte gern eine Auskunft“, sagte er zu dem Beamten und beugte sich über den brusthohen Holztresen zu ihm runter.
„Was für eine Auskunft?“
„Die Dame war, als es passierte, auf dem Weg zur Post, um einen Brief einzuwerfen, der sehr wichtig für mich ist. Ich wollte fragen, ob Sie dieses Schreiben bei ihr gefunden und eventuell aufbewahrt haben?“
„Wer sind Sie überhaupt?“ fragte der Polizist.
„Mein Name ist Alexander Wulff. Ich bin Verleger in Hamburg, und die Verstorbene hat für uns geschrieben... Manuskripte, verstehen Sie? Und in diesem Brief, von dem ich rede, hatte sie Texte, die an uns gerichtet waren. Wir haben einen.... wir hatten einen Vertrag mit ihr.“
„Ich muß mal nachgucken“, antwortete der Beamte. „Ich weiß nicht, ob die Sachen von ihr noch da sind. Die kriegen ja die Erben von ihr.“
Er stand auf und ging in einen Nebenraum. Wulff hörte, wie eine Schranktür geöffnet wurde.
„Ist er das?“ fragte der Polizist und hielt einen braungelben DIN-A4 -Umschlag in seiner Hand, als er wieder zurückgekommen war in die Wachstube.
„Sehen Sie doch mal die Anschrift. Was steht da?“ fragte Wulff.
„Der Brief ist an einen Thomas Kaar gerichtet in Hamburg... postlagernd. Das sind Sie doch nicht. Ihr Name war doch....“
„...Wulff“, ergänzte er.
„Dann kann ich Ihnen den Brief ohnehin nicht aushändigen. Der ist ja gar nicht an Sie adressiert. Wenn das überhaupt geht, dann muß dieser....“ Er blickte abermals auf den Umschlag „.... dieser Thomas Kaar hier erscheinen und sich ausweisen.“
„Das heißt: Herr Kaar muß extra aus Hamburg hier herfahren und sich den Brief eigenhändig abholen?“ fragte Wulff verärgert.
„Anders geht es nicht. Ich kann Ihnen doch nicht einen Brief geben, der nicht für Sie bestimmt ist... und dann noch von einer Verstorbenen.“
„Na dann nicht“, entgegnete Wulff. Er drehte sich um und schlug die Tür mit mehr Kraft hinter sich zu, als er sich in seiner Frustration eigentlich erlauben wollte.
Seine Verärgerung darüber, daß er den Brief mit den Manuskriptseiten von Carmen van Sandt nicht mitnehmen durfte, wich der Erkenntnis, daß es nun nicht mehr den geringsten Zweifel gab an ihrem Tode. Die Beschreibung ihrer Person, so wie er sie kannte, war identisch mit der Verstorbenen. Der Wohnort stimmte, die Aussagen des Bauern waren eindeutig gewesen und der Brief an Kaar, den die Verunglückte bei sich hatte - mehr Klarheit konnte es nicht geben.
Während der Rückfahrt nach Hamburg überkam Wulff mehrmals ein Gefühl der Ohnmacht, gepaart mit einem Zittern, das seine Zähne aufeinanderschlagen ließ. Was soll ich bloß machen? fragte er sich immer wieder. Was kann ich tun? Soll ich alles auffliegen lassen und den Coup eingestehen auf einer Pressekonferenz? Das wäre die gesellschaftliche Vernichtung von Kaar und mir. Wir würden zum Gespött werden einer ganzen Branche und verachtet von Millionen von Lesern. Vielleicht kämen wir sogar ins Gefängnis wegen Betruges und Irreführung der Öffentlichkeit. Fieberhaft dachte er nach über eine Strategie, wie er aus diesem furchtbaren Schlamassel herauskommen könnte. Doch je intensiver er sich anstrengte, desto weniger sah er einen Ausweg.
Vor den Elbbrücken entschied er sich dafür, einen Grundsatz strikt einzuhalten: unter allen Umständen und um jeden Preis solange Zeit zu gewinnen, bis er die Lösung gefunden hatte. Und die, so hoffte er, würde durch ein Wunder geschehen oder durch eine Eingebung oder durch einen Zufall, den ihm das Schicksal bescherte. Das zweite Prinzip, nach dem er vorgehen wollte: so tun nach außen, als sei nichts geschehen - vorerst.
In seinem Büro empfing ihn seine Sekretärin Brigitte Jeda mit einem Seufzer der Erleichterung.
„Gut, daß Sie da sind. Herr Neuhaus und Herr Jünger warten auf Sie im Konferenzzimmer.... schon seit einer halben Stunde. Wir hatten einen Termin gemacht mit ihnen... um zwölf.“
„Hab’ ich glatt vergessen. Bin früh morgens gleich von zu Hause losgefahren zu einem wichtigen Treffen. Tut mir leid. Ärgert mich. Ich werde mich entschuldigen bei denen“, antwortete er und stürmte davon.
Neuhaus und Jünger erhoben sich, als Wulff den Saal betrat. „Verzeihen Sie, daß ich Sie habe warten lassen. Das ist mir unangenehm... sehr sogar“, sagte er und reichte beiden Männern die Hand. „Hat man Sie gut versorgt mit Getränken?“ fügte er hinzu und kleidete seine nachgeschobene Frage in eine Aufforderung: „Können wir bitte gleich beginnen? Wir holen dann die verlorene Zeit wieder ein.“
Nachdem er sich gesetzt hatte, tuffte Wulff mit drei Zupfgriffen seiner Finger über der Gürtelschnalle sein Oberhemd auf, um hinter der gefalteten Luftblase seinen Bauchansatz zu verbergen. Das machte er mehrmals am Tag. Diese Geste gehörte ebenso zu ihm wie seine fanatische Pünktlichkeit, die er sich rigoros abverlangte, die er bei anderen allerdings nur selten erlebte.
„Wir hatten uns verabredet, um Sie über den aktuellen Stand der Pressekampagne für den neuen Roman von Thomas Kaar zu unterrichten“, begann Bernd Neuhaus die Besprechung. Er war stellvertretender Geschäftsführer der Werbeagentur Unique.
„Dann legen Sie mal los“, warf Wulff ein und lächelte ihn gekünzelt an. Mit einem Seitenblick nickte er Christian Jünger zu, dessen Aufgabenbereich es war, die Produktion der TV-Spots zu überwachen und sie bei den Fernsehanstalten zu plazieren.
Neuhaus, 37 Jahre alt, untersetzt, Drei-Tage-Bart, geflochtener Haarzopf im Nacken, hüstelte dreimal und sagte dann: „Vorweg zur Beruhigung für Sie, Herr Wulff. Wir sind absolut im Plan. Aber was das Wichtigste ist: Die Spots sind hervorragend geworden... einfach umwerfend. Sie sind so gut wie fertig geschnitten und sendereif. Spätestens in drei Tagen können sie an die Sender überspielt werden.“
Jünger, 32 Jahre alt, schlank, Halbglatze, ergänzte: „Die Sendezeiten liegen exakt fest.... jeweils vor den Nachrichten und noch einmal vor dem Spielfilm. So hatten wir es auch abgesprochen. Wir bleiben doch dabei, oder?“
Wulff antwortete: „Selbstverständlich“, dachte aber genau das Gegenteil. Das wird nie zu schaffen sein, wenn nicht ohnehin alles abgesagt werden muß, überlegte er. Und er fragte sich, ob und wann er Kaar darüber informieren sollte, daß sein neuer Roman mit dem Tode von Carmen van Sandt ebenfalls gestorben war. Werde ihn erst morgen anrufen und die Nacht dazu benutzen, über alles nochmals nachzudenken. Vielleicht habe ich dann eine Lösung gefunden, sagte er sich und fragte, an Neuhaus und Jünger gewandt: „Sind die anderen Maßnahmen... Plakate, Radiospots und Anzeigen ebenfalls im Zeitplan?“
„Die Arbeiten gehen ihrem Ende entgegen. Wir können starten, wie es nach dem Belegungsplan vorgesehen ist“, antwortete Neuhaus. „Eine Woche ist als Puffer einkalkuliert. Selbst wenn noch was schiefgehen sollte, können wir das auffangen... in aller Ruhe."
„Hervorragende Arbeit“, lobte Wulff und lächelte anerkennend. „Dann muß nur noch das Buch da sei, damit wir es verkaufen können“, witzelte er und erntete ein knappes Gelächter seiner beiden Gesprächspartner.
„Bleibt es bei dem Titel?“ erkundigte sich Jünger. „Falls es eine Änderung geben sollte, müßten wir das rechtzeitig wissen, damit wir in der Off-Stimme den Text noch ändern können.“
„Es bleibt dabei“, sagte Wulff. „Wir haben ihn schließlich nach allen Regeln der Kunst getestet... sechs weitere standen zur Auswahl.... die überwiegende Mehrheit der Befragten hatte sich sofort für den einen entschieden. Wir sind deshalb ganz sicher, daß er es ist... und nur er.“
„Unser Haus steht ebenfalls voll und ganz dahinter“, meinte Neuhaus. „Er gefällt uns auch persönlich sehr. Unsere Mitarbeiter finden das ebenso. Sie haben sich mehrfach in diesem Sinne geäußert... ganz von selbst, ohne daß wir sie um ihre Meinung befragt haben. Die Kreativen ebenso wie die aus der Buchhaltung oder dem Sekretariat.“
„Schön zu hören“, erwiderte Wulff. „Das beweist einmal mehr, wie umfassend und wie professionell wir alles auf die Schiene gehoben haben... auch oder gerade wegen Ihrer Mitarbeit.“
„Das hören wir gern“, sagte Neuhaus. Und Jünger fügte hinzu: „Danke für das Kompliment. Ich werde es weitergeben an meine Mitarbeiter.“
In seinem Nacken spürte Wulff die Entstehung eines Schweißfilms, der sich schnell ausbreitete. Er goß sich ein Glas Mineralwasser ein, sagte „Bedienen Sie sich doch noch mit Kaffee und langen Sie zu bei den Keksen“ und versuchte, seine aufwallende Hitze mit einer Frage abzulenken, die er, ohne Blickkontakt zu Neuhaus oder Jünger, in den Raum hinein formulierte: „Halten Sie die geplanten vier Wochen Kampagne insgesamt für ausreichend?“


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